Musikreview: „Let There Be Witchery“ von Midnight
Midnight – Rückkehr zur Dunkelheit
Für einen Interpreten, der trotz jahrzehntelangem Bestehen so wenige Alben veröffentlicht, zeigten sich die letzten zwei Jahre für Midnight Langspieler-technisch erstaunlich fruchtbar. Das nun erscheinende fünfte Album ist aber nicht bloß ein schneller Nachfolger zu „Rebirth By Blasphemy“ – es ist ein weiterer Beweis für die Stärke des Projekts. Weitere interessante Rock-Storys gibt es hier zu lesen.
Interpret | Midnight |
Album | Let There Be Witchery |
Veröffentlichung | 04. März 2022 |
Genre | Heavy Metal |
Label | Metal Blade Records |
Tracks | 10 |
Bewertung der Redaktion | 8/10 |
Spieldauer | 35 Min |
Talent von allen Saiten
Es ist schon erstaunlich, was ein Mensch allein alles schaffen kann. Midnight ist dafür ein gutes Beispiel, immerhin hat sich die Band an die Spitze des angeschwärzten Speed Metal gespielt – ohne überhaupt eine richtige Band zu sein. Jamie Walters, der den meisten eher unter seinem Pseudonym Athenar bekannt sein sollte, gründete Midnight Anfang der 2000er Jahre als reines Soloprojekt neben seiner Gesangs- und Bassarbeit für die Clevelander Metal-Band Boulder. Boulder lösten sich auf, das Solo-Projekt lief jedoch weiter. Bis heute nimmt der Musiker alles in der Ein-Mann-Besetzung auf. Nur live spielt der stets diabolisch in schwarze Maske und Leder gekleidete Frontmann mit einer Gruppe Session-Musiker. Wenn er das auch noch alleine hinbekommen würde, wäre echte schwarze Magie im Spiel.
„Let There Be Witchery“ ist musikalisch auf altbekannten Midnight-Terrain unterwegs: Nostalgische Metal-Riffs gepaart mit Athenars punkigen Gesang. Dass bei seinen Alben wenig experimentiert wird sei ihm verziehen. Im Gegenteil – Midnight ist eine Band, bei der man im Vornherein weiß, was man möchte, und es stets geliefert bekommt. Während bei anderen Bands ein Schuss Experimentierfreudigkeit wünschenswert wäre, ist sie hier einfach fehl am Platz.
Midnight ist eine Huldigung an all die Dinge, die Heavy Metal ausmachen, und das neue Album bildet da keine Ausnahme. Sämtliche Metal-Klischees – musikalisch, visuell und lyrisch – die das Genre hergibt werden bedient. Mal mit einer ordentlichen Portion Ironie, mal ernstgemeint, aber immer überzeugend.
Überzeugen können vor allem wieder einmal die bereits erwähnten Riffs der Platte. Das Pendel schlägt wie wild zwischen klassischem Rock‘n’ Roll und Speed Metal, ein paar Schwenker in Richtung traditioneller Metal der Marke Judas Priest und Iron Maiden sind aber auch mit dabei. Große Riffs mit Fokus auf Leadgitarre, dazu ein paar kurze, aber knackige Solos. Virtuosität ist sollte man woanders suchen, aber wer Wert auf eingängige Härte legt, ist mit „Let There Be Witchery“ an der richtigen Adresse.
“Szex Witchery” -Video aus dem Album „Let There Be Witchery“
Das Erbe von Venom
Auch wenn das Gesamtwerk im Grunde sehr kontinuierlich daherkommt, ist jedoch nicht jeder Song gleich. Es gibt stumpfe Stampfer, wie der an die frühen Tage von Sodom erinnernde Opener ‘Telepathic Nightmares’, partytaugliche Riff-Rocker wie der Titelsong ‘Szex Witchery’ oder der noch bessere ‘Villainy Wretched Villainy’ und natürlich jede Menge Motörhead und Venom-Anleihen. Gerade letztere werden in Bezug auf Midnight immer wieder erwähnt; Und gerade bei deren neustem Werk wird einem klar, dass wenn eine Band den Titel „die neuen Venom“ verdient hat, dann das Ein-Mann-Projekt des Alleskönners aus Ohio.
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Es ist dieselbe Energie, die beim Hören der Platte frei wird. Wer sich nicht an das so simple wie dreckige, aber absolut analeptische Frühwerk der britischen Satansrocker erinnert fühlt, sollte seine Einstellung gegenüber Heavy Metal noch einmal ausfürhlich überdenken. Es mag zwar nichts Neues sein, aber mit „Let There Be Witchery“ gelingt Midnight eine weitere gelungene Fortsetzung einer Art von Musik, die zwar von vielen Bands gespielt und kopiert, aber nur von wenigen gemeistert wird.