Alcatrazz – „V“, das fünfte Album

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Kenner der Hardrock-Szene der 80-er Jahre schnalzen vor Begeisterung mit der Zunge. Endlich erscheint am 15.10.2021 Alcatrazz’ fünftes Studioalbum „V“. Doch V steht nicht nur für die römische Ziffer „5“, sondern ist auch die Abkürzung für „Victory“. Es ist ein kleiner Sieg für die Band, dass sie auch heute noch (oder wieder) am Start sind. Ein Review über das neue Album und viele weitere Musiknews über Rock findest du hier.

Von Rainbow über Michael Schenker Group zu Alcatrazz

Treibende Kraft hinter der Band Alcatrazz ist im Jahr 1983 Sänger Graham Bonnet, der die Band aus der Taufe hebt. Der 1947 geborene Brite ist aber zunächst Sänger bei Ritchie Blackmore’s Rainbow. Nachdem Ausnahmesänger Ronnie James Dio die britische Formation nach der Veröffentlichung von „Long Live Rock’n’Roll“ verlässt, schlägt Bonnets Stunde. Zwar ist er seit Ende der 60-er Jahre als Solosänger unterwegs, doch es läuft nicht so richtig. Als Brian Connolly The Sweet verlässt, bekommt Bonnet das Angebot ihn als Sänger zu ersetzen. Zeitgleich fällt sein Soloalbum „Graham Bonnet“ aus dem Jahr 1977 dem einstigen Deep Purple Gitarristen Ritchie Blackmore in die Finger, als er einen neuen Vokalisten sucht. Die Stimme Bonnets, eher im Rhythm & Blues-Stil angesiedelt, unterscheidet sich stark von Dios markantem Gesang. Vielleicht ist das Blackmores Intension, um eine neue, mehr poppige Ausrichtung Rainbows anzugehen.

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Wie auch immer, Graham Bonnet singt die Stücke des 1979-er Rainbow-Albums „Down To Earth“ ein, was sein erfolgreichstes Album bleiben wird. Die beiden Hit-Singles „All Night Long“ und „Since You Been Gone“, letzteres aus der Feder von Russ Ballard, machen ihn und Rainbow einem breiteren Publikum bekannt. Nach seinem Aus in der Band im Jahr 1981 veröffentlicht er zunächst mit prominenter Unterstützung von Gitarrist Mick Moody (Whitesnake), Schlagzeuger Cozy Powell (Rainbow), den beiden Status Quo-Gitarristen Rick Parfitt und Francis Rossi und Deep Purple-Keyboarder Jon Lord ein weiteres Soloalbum, das sich in den britischen Charts platzieren kann. Erneut wird er 1982 von einem Ausnahmegitarristen angeheuert: Michael Schenker, einstiger UFO-Saitenakrobat und Bruder von Rudolf Schenker (Scorpions). Bonnet singt das Album „Assault Attack“ ein und wirft anschließend das Handtuch, um seine eigene Band, Alcatrazz, zu gründen.

Alcatrazz - V
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Härterer Stil und weitere Gitarrenvirtuosen

Vermutlich aus seinen Erfahrungen heraus „nur“ der Sänger von weltberühmten Gitarristen zu sein, will Bonnet nun endlich seine eigene Band etablieren. Er findet einen weiteren sehr begabten und zu der Zeit noch im Aufstreben begriffenen jungen Schweden namens Lars Johan Yngve Lannerbäck, besser bekannt unter dem Namen Yngwie Malmsteen. Neben klassischer Musik sind die Gitarristen Jimi Hendrix und Ritchie Blackmore seine wichtigsten Einflüsse. Da Bonnet sich sehr für außergewöhnliches Gitarrenspiel begeistern kann, holt er den Skandinavier in die Band. Ebenfalls in der Band spielt ex-Iron Maiden Schlagzeuger Clive Burr, der allerdings bereits 1983 zum ersten Album „No Parole From Rock’n’Roll“ nicht mehr dabei ist und von ex-Alice Cooper Schlagwerker Jan Uvena ersetzt wird. Ebenfalls im Line-up ist Bassist Gary Shea sowie Keyboarder Jimmy Waldo, der als einziges Mitglied durchgehend bis heute in der Band spielt.

Stilistisch weitaus härter ausgerichtet als frühere Alben von Bonnet, bewegen sie sich im Bereich des melodiösen Heavy Metal, der zu der Zeit weltweit seinen Siegeszug antritt. Außer einigen mittleren Erfolgen, unter anderem in Japan, bleibt Alcatrazz die große Bekanntheit verwehrt. Yngwie Malmsteen und Graham Bonnet werden sich nicht einig, wer denn nun das Sagen in der Band hat und so verlässt Malmsteen bereits vor dem zweiten Studio-Album „Disturbing The Peace“ die Formation. Doch schnell findet Bonnet Ersatz in ex-Frank Zappa-Gitarrist Steve Vai, der allerdings ebenfalls nur für das eine Album dabei bleibt und zu David Lee Roth in die Band wechselt. Für ihn kommt für das dritte und zunächst letzte Album „Dangerous Games“ Danny Johnson in die Band.

Hier ein Eindruck von “Grace of God”

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Auflösung, Reunion und neue Alben

Im Jahr 1987 werden Alcatrazz offiziell aufgelöst. Bonnet schließt sich zunächst der Band Impellitteri an und arbeitet solo weiter. In den nächsten über dreißig Jahren gibt es zwar in verschiedenen Besetzungen Live-Auftritte unter dem Banner Alcatrazz, aber keine neuen Studioveröffentlichungen. In den Jahren 2018 und 2019 arbeitet Bonnet wieder als einer der Sänger mit Michael Schenker bei dessen All-Star-Truppe Michael Schenker Fest zusammen. Dann, endlich nach mehr als drei Dekaden, gibt Bonnet eine Reunion von Alcatrazz bekannt. Das vierte Studio-Album „Born Innocent“ erscheint im Sommer 2020. Mit dabei die ehemaligen Mitstreiter Jimmy Waldo und Gary Shea sowie Gitarrist Joe Stump und Schlagzeuger Mark Benchequea, der bereits bei Bonnet in der Solo-Band trommelte. Beim Songwriting erhält Bonnet Unterstützung von Steve Vai, Chris Impellitteri und dem im Mai 2020 verstorbenen Gitarristen Bob Kulick. Das Album vereint den typischen Sound der Band. Charts- und großer Verkaufserfolge bleiben dem Werk versagt. Es kommt, wie es kommen muss, Graham Bonnet verlässt die Band. Erstaunlicherweise wird sie nicht liquidiert, sondern mit ex-Rainbow/ex-MSG-Sänger Doogie White steigt ein neuer Sänger ein. Auch der Rest der Band bleibt dabei und gemeinsam spielen sie das fünfte Album „V“ ein. Erstmalig erklingt die typische Musik der Band mit einem neuen Sänger. Bonnet plant übrigens eine eigene Variante als Graham Bonnets Alcatrazz für das Jahr 2022.

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V

Kaum jemand hätte nach Weggang von Bonnet damit gerechnet, dass es ein weiteres Album geben würde. Natürlich steht die Frage im Raum, ob es ohne seinen Gesang auch ein authentisches Album ist. Diese lässt sich mit einem Ja beantworten, es sei denn, man ist absoluter Hard Core-Fan von Bonnets Gesang, dann natürlich nicht. Doogie White ist ein großartiger Sänger, der einen ganz eigenen Stil in die Kompositionen einbringt, der aber dennoch die Stilistik erhält. Musikalisch zeigt der Opener „Guardian Angel“ gleich, dass noch immer Wert auf schnelle Gitarrenmelodien gelegt wird. Erinnerungen an Rainbows „Difficult To Cure“-Phase, damals natürlich mit Joe Lyyn Turner am Gesang, werden geweckt.

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Mystisch mit Piano und einer Nachtglocke beginnt „Nightwatch“, das dem Opener in Geschwindigkeit in Nichts nachsteht. „Sword Of Deliverance“ kommt eher etwas langsamer daher, während „Turn Of The Wheel“ durchaus auf ein Rainbow oder gar Dio-Album passen würde. Klanglich bewegt sich „Blackheart“ ein wenig im Piratenstil. Das folgende „Grace Of God“ ist im besten Sinne eine typische Alcatrazz-Nummer. Düster und getragen, mit leichter Black Sabbath-Attitüde, schleppt sich „Return To Nevermore“ in die Gehörgänge. „Target“ hingegen nimmt wieder Geschwindigkeit auf. „Maybe Tomorrow“ ist eine fette Nummer mit markantem Keyboardspiel, in der es sehr abwechslungsreich zugeht und das ebenfalls an komplexe Dio-Songs erinnert. „House Of Lies“ und „Alice’s Eyes“ sind solide Tracks in der gewählten Stilistik und mit „Dark Day For My Soul“ beschließt eine, sich steigernde Power-Ballade das sehr gelungene fünfte Alcatrazz-Album.


Fazit

Auch ohne Gründer und Sänger erklingen Alcatrazz in ihrem unverkennbaren Stil auf hohem Niveau. Doogie White macht einen großartigen Job und die Kompositionen überzeugen durch Abwechslung und Vielseitigkeit. Alle Stücke sind mit großartigen Gitarren-Soli versehen und veredeln „V“ auf besondere Art.

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