Lordi – Sieben neue Alben auf einen Streich
Spätestens seit ihrem Sieg beim Eurovision Song Contest mit dem Song „Hard Rock Hallelujah“ im Jahr 2006 sind Lordi einem großen, internationalen Publikum bekannt. Im Gegensatz zu vielen anderen Siegern des Wettbewerbs, die oftmals schon ein Jahr später wieder komplett in der Versenkung verschwunden sind, sind Lordi zu einer international erfolgreichen Rockband aufgestiegen. Nun veröffentlichen die finnischen Monster 7 (in Worten sieben) neue Alben gleichzeitig Weitere interessante Rock-Storys gibt es hier zu lesen.Weitere interessante Rock-Storys und Musiknews über Rock findest du hier.
Vom Uni-Projekt zur Monsterband
Als Tomi Petteri Putaansuu, mittlerweile besser bekannt als Mr. Lordi, für sein Studium zum Maskenbildner ein Videoprojekt umsetzen muss, entscheidet er sich, einen Musikclip für seine, zu der Zeit absolut unbekannte Band, zu erstellen. Um dem Video einen besonderen Look zu verpassen, entscheidet er sich dafür, die Mitwirkenden, ausgenommen er selbst, in Masken auftreten zu lassen. „Das Ergebnis war, dass alle über die Masken, aber keiner über den Song sprach. Das war für mich eine Initialzündung, denn ich entschied, dass meine Band nun nur noch maskiert und in Monsterkostümen auftreten sollte“, erinnert sich der Kiss-Fan in einem Gespräch mit mir. Im Jahr 2002 erscheint das erste Lordi-Album „Get Heavy“ mit dem ersten Single-Erfolg „Would You Love A Monster Man?“. Die Idee zündet und im Jahr 2006 werden Lordi als finnischer Teilnehmer zum ESC geschickt und spielen alle anderen an die Wand und sorgen gleichzeitig beim gemäßigten Publikum für Entrüstung und Erstaunen, dass „ so etwas“ gar den Wettbewerb gewinnt.
Hier ein Eindruck von „Borderline“
Sieben neue Alben gleichzeitig
Springen wir ins Jetzt, denn Lordi kündigen im April dieses Jahres sieben neuen Alben an, die alle an einem Tag erscheinen sollen. Zunächst als April Scherz gedeutet, sieht sich die Plattenfirma genötigt in einer weiteren Pressemitteilung die Ernsthaftigkeit der Ankündigung zu unterstreichen. Die Idee zu diesen Alben hat Mr. Lordi Anfang 2020, als die „Killection“-Tour wegen der Corona-Pandemie abgesagt werden muss. Einige Monate zuvor veröffentlichen Lordi eine fiktive Best Of-Zusammenstellung, der der Gedanke zugrunde liegt, dass es die Band seit Anfang der 70er-Jahre geben würde. Entsprechend komponieren sie Stücke im Stil der 70er und 80er-Jahre, die sie dann auf „Killection“ veröffentlichen. Lordi wären
nicht Lordi, wenn sie nun einfach einen zweiten Teil nachschieben würden. „In der Märzwoche 2020, nachdem unsere Tour wegen Corona abgesagt werden musste, dachte ich, dass ich die mir zur Verfügung stehende zusätzliche Zeit nutzen muss.
Schnell war klar, dass der Zeitpunkt perfekt war, um mit der Planung eines weiteren Albums zu beginnen, obwohl „Killection“ zu diesem Zeitpunkt noch keine drei Monate alt war. Aber dann wurde mir klar, dass es nichts Langweiligeres geben kann, als ein weiteres reguläres Lordi-Album. Mir hat das Schreiben, Aufnehmen und Produzieren der verschiedenen Stile für „Killection“ sehr viel Spaß gemacht, aber die Idee, einfach einen zweiten Teil davon zu komponieren, kam mir auch extrem langweilig vor. Und da “Killection” ein fiktives Album ist, das auf einem bisher nicht existierenden, fiktiven Back-Katalog von Musik basiert, hatte ich eine Idee: Das Einzige, was “Killection” toppen könnte, wäre, den Back-Katalog aufzunehmen und zu veröffentlichen”, erklärt Mr. Lordi.
So gesagt. So getan.
- “Skeletric Dinosaur”,
- “Superflytrap”,
- “The Masterbeast”,
- “Abusement Park”,
- “Humanimals”,
- “Abracadaver” und
- “Spooky Sextravaganza”
heißen die einzelnen Alben dieser Sammlung, die als Gesamtwerk „Lordiversity“ heißt. Jedes Album wurde entsprechend seiner Entstehungsepoche mit seinen unterschiedlichen Ansätzen und Instrumenten aufgenommen, um dem Klang möglichst nahe zu kommen. Also so, als wäre es in der jeweiligen Zeit geschaffen worden. Nachfolgend einige Eindrücke zu den einzelnen Alben.
Skelectic Dinosaur
Das erste der sieben Alben ist im Stile der früher 1970er-Jahre gehalten und
bietet acht Hard Rock-Kompositionen, die stark an Alice Cooper und frühe Kiss erinnern. Dabei haben Mr. Lordi und seine Mitstreiter nicht nur die Songstrukturen denen der besagten Zeit angepasst, sondern auch den Sound so reproduziert, dass wirklich der Eindruck entsteht, es handele sich um ein verschollenes Frühwerk der Band aus den 70er-Jahren. Anspieltipps: „Day Off Of The Devil“, „The King Of Headstakers Mountain“, „The Tragedy Of Annie Mae“
Superflytrap
Dieses Album spiegelt die Disco-Phase der Monster-Rocker wider. Ein echter
Kulturschock für Rockfans, sofern sie nicht auch etwas mit der Disco-Zeit der 70er-Jahre anfangen können. Dabei muss man anerkennen, dass auch diese Phase optimal mit eigenen Kompositionen imitiert wird. Stellvertretend sei der Song „Macho Freak“ genannt, der sehr viele Anspielungen auf die Epoche beinhaltet. So startet er mit einer Erinnerung an das „Shaft“-Titelthema, überrascht mit Boney M.-Anleihen aus „Dschingis Khan“ um dann in einem Gitarrensolo Kiss’ „I Was Made For Loving You“ zu zitieren. Sehr gelungen, wenn auch eher tanzbar, als zum Headbanging geeignet.
The Masterbeast From The Moon
Natürlich haben Lordi auch eine (fiktive) Vergangenheit als Progressive-Rockband, die auf „The Masterbeast From The Moon“ zu hören ist. Auch hier werden alle relevanten musikalischen Eigenschaften des benannten Genres adaptiert. Aufgebaut wie ein typisches Prog-Rock-Konzeptalbum weiß auch dieser außergewöhnliche Ausflug zu begeistern. Teilweise mit gesprochenen Parts angereichert, entsteht der Eindruck eines monumentalen Prog-Albums, das mit „Church Of Succubus“ gar eine extralange Komposition aufweist, die sich mit Pianoklängen startend zu einer echten Bombastnummer entwickelt und so mancher „echten“ Progband in Nichts nachsteht.
Abusement Park
Nun befinden wir uns in den 80er-Jahren auf dem Höhepunkt des Heavy Metals. Lordi liefern mit „Abusement Park“ ein Heavy Metal-Album ab, wie es zu der Zeit typisch war. Elemente von Scorpions und Judas Priest sind ebenso zu finden, wie Mötley Crüe und Accept. Es könnte sich auch in diesem Fall um ein „echtes“ Lordi-Album der 80er-Jahre handeln. Was genau uns allerdings der Wookie aus Star Wars in „Grrr“ mitteilen will, bleibt ein Geheimnis, da bekanntlich außer Han Solo niemand versteht, was der Wookie sagt. Auch hier gibt es ein paar Anspieltipps: „Carousel“, „House Of Mirrors“, „Pinball Maschine“, „Up To No Good“.
Humanials
Das fünfte Werk dieser Sammlung des fiktiven Back-Katalogs beginnt mit der Predigt eines typischen amerikanischen selbsternannten Botschafter Gottes und endet in Panik und dem ersten Song „Borderline“. Dabei handelt es sich um einen an den AOR angelegten Song. Das ist das Thema des Albums und entsprechend kommen die Kompositionen daher. Es zeigt, dass Lordi auch locker all die meist sehr beliebigen und langweilig klingenden AOR- und Melodic-Rock-Alben aufmischen können. Denn im Gegensatz zu einigen ernstgemeinten Alben des Genres, passiert bei Lordi mehr in den Songs, als bei 90 Prozent der aktuellen Veröffentlichungen. Natürlich reichen die Stücke nicht an die Klassiker von Foreigner, Journey oder REO Speedwagon heran, aber sind dennoch originell und gut hörbar. Als zukünftige Ohrwürmer seien „Girls In A Suitcase“, „Heart Of A Lion“ und „Humanial“ genannt.
Abracadaver
Hierbei handelt es sich um die heftigste Scheibe der Sammlung, obwohl es zunächst mit dem Intro „Horricone“, das Westernflair verbreitet, in eine komplett andere Richtung führt. Danach gibt es kein Erbarmen, denn „Devilirium“ erklingt im Stile von Judas Priests „Painkiller“. Damit dürfte klar sein, dass es sich hierbei um ein Thrash und Speed Metal meets Lordi-Werk handelt. Er werden während der Spielzeit von 44 Minuten keinerlei Gefangene genommen und ohne Unterlass die Härte und Geschwindigkeit bemüht. Natürlich finden auch hier Zitate Einzug in die Songs, wie beispielsweise Metallicas „Enter Sandman“ bei „Ragin At Tomorrow“. Freunde des Genres bekommen hier eine Vollbedienung auf höchstem Niveau, denn auch hier wissen Lordi genau, wie die Markenzeichen des Sounds klingen müssen. Großartig
Umsetzung.
Spooky Sextravaganza Spectacular
Das Ende der Reise durch diverse Stilistiken stellt „Spooky Sextravaganza Spectacular“, in dem es um die Lordi-Phase des Industrial Metal geht, dar. Wie bei den vorherigen sechs Alben gilt auch hier, dass sich Mr. Lordi intensiv mit den Eigenschaften dieses Sounds auseinandergesetzt hat und seine Kompositionen perfekt daran angepasst hat. Freunde von Marilyn Manson, Rob Zombie und ähnlich ausgerichteten Bands kommen hier durchaus auf ihre Kosten. Wobei sich diese zwölf Kompositionen noch mit am nächsten an dem üblichen Lordi-Sound bewegen und deshalb wohl auch am ehesten an Lordi erinnern. Dennoch schaffen Mr. Lordi und seine Truppe es ein in die Genre-Vorgabe passendes sehr gutes Album abzuliefern.
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Fazit
Nach vier Stunden und 44 Minuten Lordi ist dann irgendwann auch mal gut. Aber, Mr. Lordi und seinen Mitstreitern gebührt absoluter Respekt dafür, dass die einzelnen Phasen so authentisch in Musik gefasst wurden. Teilweise ist nicht herauszuhören, dass es sich eigentlich nur um die Adaption des jeweiligen Sounds handelt. Es ist eindeutig zu merken, dass Mr. Lordi sich sehr tief in die Materie eingearbeitet hat und die Alleinstellungsmerkmale der Phasen optimal herausgearbeitet und in Lordi-Kompositionen implementiert hat.
Natürlich gibt es bei insgesamt 78 Songs auch den einen oder anderen Ausfall, aber insgesamt weiß diese Zusammenstellung des fiktiven Back Katalogs absolut zu begeistern. So hat der Fan für jede gerade gewünschte Stilistik das passende Lordi-Album parat, etwas, dass andere Bands definitiv nicht bieten können.