Musikreview: „Süden“ von Andy Brings
Andy Brings – Neues Album des Überzeugungstäters
Andy Brings, nicht verwandt oder verschwägert mit den Kölner Brings-Brüdern, die einst Deutschrock und nun Karnevalsmusik machen, lässt sich definitiv in keine musikalische Schublade packen. Der Musiker, Produzent, Filmemacher und Oberbürgermeister-Kandidat kann Thrash-Metal genauso gut wie melodiösen Pop-Rock. Am 10. Juni, Andy Brings‘ 51. Geburtstag, erschien sein neues Solo-Album »Süden«. Weitere interessante Rock-Storys gibt es hier zu lesen.
Interpret | Andy Brings |
Album | Süden |
Veröffentlichung | 10.06.2022 |
Genre | Deutschrock |
Label | Metalville / Rough Trade |
Tracks | 11 |
Bewertung der Redaktion | 9/10 |
Spieldauer | 38:49 Min |
Karrierestart mit hartem Metalsound
Brings startet seine Karriere als professioneller Musiker im Jahr 1991, als er bei der Gelsenkirchener Thrash-Metal-Band Sodom als Gitarrist einsteigt. Mit ihnen veröffentlicht er zwei Studio-Alben, 1992 »Tapping The Vain« und 1994 »Get What You Deserve«. Außerdem tourt er weltweit mit ihnen und ist auf dem Livealbum »Marooned Live« zu hören.
Im Jahr 1994 verlässt er Sodom. Drei Jahre später hebt er seine eigene Band The Traceelords aus der Taufe. Stilistisch bewegen sie sich im Bereich Metal und Glamrock, was erstmalig zeigt, dass Brings sich nicht auf eine Stilrichtung, wie etwa dem harten Thrash-Metal festlegen lässt. Mit The Traceelords veröffentlicht Brings in unterschiedlichen Besetzungen, u.a. steigt 2004 Gitarrist Christof Leim, Musikjournalist und Redakteur beim Metal Hammer, ein, drei Alben in den Jahren 2000 bis 2006. The Traceelords spielen Shows mit Alice Cooper, Whitesnake, J.B.O. und Bela B. Am 30.12.2006 löst Andy Brings die Band auf.
Vielseitigkeit als Motto
Parallel dazu hat Brings ab 1998 eine zunächst parodistisch, satirisch gemeinte Metalband namens Powergod aufgebaut. Hier agieren er und der The Traceelords-Schlagzeuger Haan Hartmann unter Pseudonymen, da sie sich nicht selbst Konkurrenz machen wollen. Letztlich bekommt Brings aber auch mit Powergod einen Plattenvertrag und veröffentlicht bis zur Auflösung der Band fünf Alben. Stilistisch widmet er sich dem deutschen Power Metal und Speed Metal.
Nachdem der Musiker ab 2007 ohne seine beiden Bands dasteht, konzentriert er sich auf eine Solokarriere. Musikalisch fällt diese etwas anders als erwartet aus, denn die erste Single ‚Wildes Mädchen‘ ist cooler Deutschrock und schafft es in die deutschen Single-Charts. Ein erstes Solo-Album namens »Rock’n’Roll« folgt 2010. Parallel dazu betätigt er sich als Produzent diverser Alben.
Musik, Film, Politik
Umtriebig wie Brings ist, stellt er 2013 eine neue Band namens Double Crush Syndrome auf die Beine. Hier frönt er dem Sleaze Rock mit leichter Punk-Attitüde und bringt es mit der Truppe auf vier Langspieler und spielt Shows mit Doro, Ugly Kid Joe, J.B.O., W.A.S.P. sowie den japanischen 80er-Jahre Metallern Loudness. Sein persönliches Highlight in dieser Phase ist die Tournee mit seiner Lieblingsband Skid Row durch Deutschland und Spanien.
Als DCS 2019 im „ZDF Fernsehgarten“ auftreten, löst dies Kontroversen in der Rock– und Metalszene aus. Denn nicht etwa den typischen Stil der Band erlebt das Publikum, sondern eine Coverversion des vom Schlagersänger Andy Borg stammenden Hits ‚Die berühmten drei Worte‘ ertönt im ganz eigenen Bandsound. Wäre da nicht der seltsame Auftritt von Luke Mockridge, der durch die Medien geht, wäre der Truppe sicherlich mehr Medienaufmerksamkeit entgegengebracht worden.
Brings wäre nicht Brings, wenn er nicht ständig neue Projekte am Start hätte, die er mit voller Energie als Überzeugungstäter umsetzen würde. So realisiert er einen Kinofilm mit dem Titel »Full Circle – Last Exit Rock’n’Roll« in dem u.a. Doro Pesch auftritt. Im Jahr 2020 kandidiert Andy Brings für den Posten des Oberbürgermeisters in seiner Heimatstadt Mülheim an der Ruhr, wo er den sechsten Platz von zehn teilnehmenden Kandidaten erreicht. Nun ist er mit »Süden« wieder als Musiker zurück.
»Süden« – Review der einzelnen Songs
Auch auf seinem neuesten Werk schert sich der sympathische Künstler einen Dreck darum, was die Szene sagen könnte und womöglich Fans seiner jeweiligen Schaffensphasen von ihm erwarten. Dennoch macht er gleich mit der Eröffnungsnummer ‚Rock’n’Roll‘ klar, wie er seinen Lebensinhalt definiert: als Rock’n’Roll. Hier geht es rockig á la Joan Jett zu.
Das folgende ‚Armee der Mädchen‘ steigt mit einem Gitarrenpart ein, bevor der Rest der Band einsetzt. Treibend nach vorn, ein wenig an Extrabreit erinnernd, bewegt sich dieser Rocker. Mit Hardrock-Klängen und wummerndem Bass kommt ‚Rette mir‘ daher.
Gesangliche Unterstützung erfährt Brings, wie bei einigen weiteren Songs auch, durch Lea Christine Mies und Stephanie Nix. Weiter geht es mit ‚Schlaflos‘, dessen Refrain sofort ins Ohr geht und vom Aufbau an eine rockende NDW-Nummer erinnert. Etwas schleppend, düster und mit eher gesprochenem Gesang erklingt ‚Tik Tak‘, dessen Struktur sich in Wellen auf und abbaut und mit hartem Gitarrenspiel unterlegt ist.
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Auch ‚Tut mir leid‘ bewegt sich im Fahrwasser von Extrabreit und Co. und lebt von der soliden Rhythmusarbeit. Der absolute Ohrwurm ist ‚Anker‘, dessen Groove einen sofort einfängt und der Refrain „ich war doch nur ein kleiner Punker“ unverzüglich zum Mitsingen animiert. Hier hat Brings einen potenziellen Radiohit am Start.
Es folgt ‚Monster‘, das positiv mit Sommerhitpotenzial voran rockt, sich dabei mit etwas ruhigeren Gesangspassagen vom ebenfalls eingängigen Refrain abhebt, dabei aber durchgehend treibend und rockig bleibt. Eher melancholisch und getragen in der Grundausrichtung ist ‚Lass das Licht noch an‘. Die beiden letzten Songs sind der 2008-er Hit ‚Wildes Mädchen‘ mit großartigem Gitarrensolo und das ebenfalls vorab ausgekoppelte ‚Raumschiff nach Hawaii‘, das als schnelle Fun-Punk-Hymne daherkommt.
Zusammenfassung
Andy Brings macht das, worauf er Lust hat und ihm sind Erwartungen, aber auch Schmähungen egal, wie dieses Rockalbum mit deutschen Texten eindeutig belegt. Es ist cooler Rock aus dem Bauch heraus, mit sehr gut gemachten Texten. »Süden« unterscheidet sich wohltuend von den üblichen deutschen, jammernden “Rock”-Veröffentlichungen aus kollektiven Leid, Betroffenheits-Pathos und mit Depri-Ausstrahlung, wie sie leider seit Jahren im Radio zu hören sind. Andy Brings bringt den Rock wieder in die deutsche Rockmusik zurück, weiß in seinen Texten zu erzählen, wie es z.B. bei Element Of Crime der Fall ist und bewegt sich im musikalischen Fahrwasser von Extrabreit, Cats TV, Ideal und Brings (zu ihren Rockzeiten). Das macht er alles verdammt gut und vor allem authentisch und schafft mit »Süden« ein hervorragend hörbares, deutschsprachiges Rockalbum, das ein großes Publikum verdient hat.