ein Gespräch mit blue friend zur neuen EP „LETZTER TAG DER LIEBE“
Wer ist eigentlich blue friend – und warum klingt sein Sound so, als würde er dir gleichzeitig auf die Schulter klopfen und die Welt erklären? Wir haben den Kölner Künstler Cansin Terporten alias blue friend zum Interview getroffen, kurz bevor seine neue EP „Letzter Tag der Liebe“ am 13. Juni erscheint. Die acht Songs sind eine Art Tagebuch: mal verletzlich, mal angriffslustig, mal mit melancholischem Kopfnicken, mal mit erhobener Faust.
blue friend spricht mit uns über die Entstehung seiner neuen Tracks, über politische Aussagen in Lyrics, das Verhältnis von DIY und Community – und warum TikTok manchmal der Ort ist, an dem Haltung am dringendsten gebraucht wird.
Selbstreflexion, Haltung und tanzbarer Indie-Pop
BANDUP: Bevor wir über deine neue EP sprechen – stell dich doch mal kurz vor: Wer ist blue friend, und was für Musik machst du?
blue friend: blue friend ist alles andere als glatt oder geleckt. Ich bin blue friend, bürgerlich Cansin Terporten und Indie-Pop-Künstler aus Köln. Ich mache alles DIY, irgendwo zwischen rauen tanzbaren 2000er-Indie-Vibes, Indie Pop und Lo-Fi-House. Meine Texten drehen sich z.B. um Leistungsdruck sowie toxische Männlichkeit und sind recht introspektiv. Wobei ich immer wieder mit meiner Community diskutiere, was für Musik ich mache.
BANDUP: Deine neue EP trägt den Titel „LETZTER TAG DER LIEBE“. Was war der erste Impuls oder Moment, der dir diesen Titel ins Gedächtnis geschrieben hat?
blue friend: Die EP ist eine Abrechnung mit Menschen aus meiner Vergangenheit und Menschen, die meiner Einschätzung nach Ansichten vertreten, denen ich widerspreche. Aber auch mit mir selbst. Die Worte für den Titel stammen aus meinem Song “TITANIC”, bei dem ich mir dachte: das ist es. Es ist der letzte Tag der Liebe, ab jetzt gehe ich in die Konfrontation.
BANDUP: In den acht Songs verarbeitest du unter anderem Kindheitserinnerungen, politische Enttäuschungen und Selbstzweifel. Wie schwer oder befreiend war es, so persönliche Themen in Songs zu gießen?
blue friend: Tatsächlich sehr befreiend! Man könnte die EP auch als Tagebuch mit einzelnen Momentaufnahmen sehen, die aus meinem Kopf mussten. Die Songs klingen meiner Meinung nach sehr unterschiedlich, weil sie zu verschiedenen Zeitpunkten entstanden sind.
Neue Klangräume: Die Zusammenarbeit mit David Furrer
BANDUP: Der Einstiegssong „so schwer“ klingt wie ein düsterer Kontrast zur sonst energischen Atmosphäre der EP. Warum beginnt die Platte gerade mit dieser melancholischen Schwere?
blue friend: Aller Anfang ist schwer, oder nicht?
Tiefe Emotionen und meditative Songstrukturen
BANDUP: „mir ist kalt“ ist ein politisches Statement gegen toxische Männlichkeit und rechte Ideologien – und gleichzeitig ein funktionierender TikTok-Sound. Wie findest du die Balance zwischen Haltung und Hookline?
blue friend: Das ging hier sehr Hand in Hand. Mir wurde auf meine For You Page ein Video zugespielt, indem ein Typ meinte, man würde Frauen “zu viel bevorzugen”. Da dachte ich mir: ich glaub es schallert… heutzutage lädt jeder seinen BS auf diese Plattformen hoch. Da dachte ich mir nur “wenn das ein Mann ist, dann will ich keiner sein”. Wir sollten nicht solchen Leuten die Bühne überlassen, wenn es darum geht, Vorbildfunktionen darzustellen oder Geschlechterrollen zu kommunizieren, geschweige denn zu definieren. Also hole ich mir selbst die Bühne.
Sound ohne Schublade: Was Worte nicht fassen können
BANDUP: In „TITANIC“ nutzt du das berühmte Bild des sinkenden Schiffs als Metapher für den Klimawandel. Wie politisch darf oder muss Musik für dich heute sein?
blue friend: Menschen, die behaupten, Kunst, Musik oder gar Sport seien unpolitisch, haben meiner Meinung nach wenig Kunst-, Musik- oder Sportverständnis. Es ging schon immer um Kommunikation von Werten, Emotionen und Lebensgefühlen. Diese sind zwangsläufig politisch. Selbst der flachste Schlagertrack kommuniziert Werte und Bilder, denen ein politisches Verständnis zugrunde liegt. Schon immer so gewesen, don’t @ me.
BANDUP: Du hast dir alles selbst beigebracht – von Instrumenten bis Produktion. Gab es auf dem Weg zur EP Momente, in denen du dich nach einem klassischen Musikstudium oder professioneller Anleitung gesehnt hast?
blue friend: Nie werde ich Gitarre Spielen können wie John Mayer oder Singen wie Freddy Mercury. Aber meine Geschichte kann nur ich am besten erzählen. Manchmal fehlt mir allerdings die Kollaboration mit anderen Menschen. Zusammen kreativ zu werden, ist nochmal eine ganz andere Erfahrung.
Ernsthafte Musik, lockere Haltung – ein bewusstes Spannungsfeld
BANDUP: Deine Einflüsse reichen von 2000er Indie über Lo-Fi House bis Post Punk. Wie gehst du beim Produzieren vor, um all diese Einflüsse organisch miteinander zu verweben?
blue friend: Meist sehr random. Ich fange an, in mich zu kehren und folge dem ersten Gefühl, das mir vorschwebt. Aber auch im Alltag kommen manchmal emotionale Impulse, die ich recht schnell versuche, in Worten abzutippen. In der Produktion wiederum fang ich häufig auf der Gitarre an und spiele drauf los, bis etwas hängen bleibt. Stilistisch folge ich rein dem, was ich in dem Moment fühle. Wenn Stilistiken und Ästhetiken zu blue friend passen, bin ich da offen für, mich darauf einzulassen.
BANDUP: Neben der Musik: Was macht dir im Moment sonst noch Freude oder gibt dir Halt, wenn alles mal wieder „zu laut, zu schnell, zu kalt“ ist?
blue friend: Ich fotografiere sehr gerne analog, kriege den Kopf gut beim Joggen frei und habe mir kürzlich erst ein Skateboard geholt. Ansonsten aber immer Music first.
BANDUP: Stell dir vor, jemand hört nur einen Song von der EP – welcher sollte es sein und warum?
blue friend: Wenn du dich schlecht fühlst und Mitgefühl dir gerade gut tut, hör dir “so schwer” an. Wenn du gute Laune hast und dich noch besser fühlen möchtest, ist “Notting Hill” dein Song zum Tanzen (ist übrigens auch schon draußen).
BANDUP: Danke dir für das schöne Gespräch!
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