Zwischen Chaos und Kommerz: Kritik an Rock im Park & Rock am Ring 

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Am ersten Juniwochenende fanden wie jedes Jahr die Schwesterfestivals Rock im Park und Rock am Ring statt. Trotz außergewöhnlichem Lineup mit Headlinern wie Slipknot, Bring Me The Horizon oder Korn wird das Wochenende von Problemen überschattet und eine Welle der Kritik und Empörung von Seiten der Besucher*innen rollt durch die sozialen Medien.

Insbesondere Fans von Rock im Park berichten von organisatorischem Chaos, Sicherheitsproblemen und drohender Massenpanik. Trotzdem nimmt die Nachfrage bei Ticketverkäufen nicht ab. Es stellt sich die Frage: Wie viel Kritik können sich die Festivals noch leisten? Und was bedeutet das für die Verantwortung der Veranstaltenden?

ZU VIELE BESUCHER*INNEN – ZU WENIG PLATZ

Rock am Ring feiert dieses Jahr 40-jähriges Jubiläum auf dem Nürburgring, Rock im Park 30-Jähriges. Das Lineup ist dabei nahezu identisch. Dieses Jahr waren beide Festivals wieder ausverkauft – bedeutet 90.000 Besucher*innen bei Rock am Ring und 88.500 bei Rock im Park. Letztere verkaufte damit fast 20.000 Tickets mehr als in den Jahren zuvor – offenbar ohne dabei für ausreichend Platz zu sorgen.

Besucher*innen klagten über das organisatorische Chaos, viele suchten vergeblich nach Camping- und Parkplätzen. Anja, eine langjährige Besucherin von Rock im Park, erzählt uns, sie habe bereits am Donnerstagmorgen einen der letzten Plätze auf dem Green Camping ergattern können.

Die Toilettensituation auf dem Gelände sei Stimmen der sozialen Medien nach, zumindest auf der Mainstage, katastrophal gewesen: Lediglich zwanzig Dixies waren auf der linken Seite der Bühne zu finden. Darüber hinaus beklagten viele langes Anstehen – beim Einlass, bei den Toiletten, bei den Essensständen. Für Anja aber keine Überraschung: “Ich denke, wenn du zu Rock im Park gehst, weißt du, dass Schlange stehen dazu gehört.”

Die Masse an Menschen hatte aber nicht nur lange Wartezeiten zu folge, sondern sorgte auch für ernsthafte sicherheitsbedenkliche Probleme. Ganz besonders bei Wegkreuzungen und den Bühnen, vor allem bei Headlinerkonzerten, berichten Fans, nur knapp einer Massenpanik entkommen zu sein. “Weniger Loveparade Vibes, wenn es um die Sicherheit geht. Diese Experience brauche ich nicht nochmal”, schreibt eine Besucherin in den Kommentaren bei einem Umfragepost auf Instagram:

Zudem soll es zu wenig Fluchtwege gegeben haben und in die Wellenbrecher wurden zu viele Menschen gelassen, sodass Fans der Enge vor den Bühnen ausgeliefert waren. Die Veranstaltenden scheinen hingegen eine ganz andere Wahrnehmung von der Situation zu haben: “Von Beginn an war die Atmosphäre auf dem Gelände außergewöhnlich positiv”, berichtete der Rock im Park Pressesprecher Matthias Adolph gegenüber dem Bayerischen Rundfunk

KOMMERZIALISIERUNG STATT SICHERHEIT? 

Angst vor Massenpanik, mangelhafte Toilettensituation und stundenlanges Anstehen – und das bei einem Ticketpreis von bis 300 Euro. Wem das noch zu wenig war, konnte sich bei beiden Festivals für 229 Euro einen Fast Lane Pass holen, um einen schnelleren Zugang zur Utopia Stage, der Mainstage, zu bekommen.

Oder gleich das VIP Ticket für schlappe 349 Euro bei Rock am Ring und 510 Euro bei Rock im Park – beides wohlgemerkt zusätzlich zum normalen Festivalticket. Zwar ist die starke Kommerzialisierung der Festivals kein neues Phänomen, sie stellt trotzdem ein grundlegendes Problem dar – insbesondere wenn das Festivalerlebnis und vor allem die Sicherheit darunter leiden.

92 PROZENT MÄNNLICHES LINEUP

Bereits vor dem Wochenende standen die Zwillingsfestivals bereits in der Kritik. Grund war das Lineup, das zwar für viele Rockfans einige ihrer Lieblingsbands bereithielt, letztlich aber lediglich einen weiblichen Anteil von nur acht Prozent aufwies: Fünf Flintabands, elf mit zumindest weiblicher Beteiligung gegenüber 84 rein männlichen Formationen.

Die Autorin Rike van Kleef kritisiert gegenüber dem SWR die Strukturen auf Festivals in ganz Deutschland – es sei ja nicht so, dass das Genre keine weiblichen oder nicht-binären Artists hergeben würde. Darüber hinaus betont sie, dass es nicht nur um Menschen auf der Bühne gehe, sondern auch dahinter: Wenn im Hintergrund vorrangig alles auf Männer ausgerichtet sei, sei es wenig überraschend, wenn die Programmgestaltung entsprechend ausfällt.

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NACHFRAGE NIMMT TROTZ ANHALTENDER KRITIK NICHT AB

Das größte Problem daran ist jedoch: Trotz der zahlreichen Stimmen der Kritik waren beide Festival in diesem Jahr restlos ausverkauft. Auch für das kommende Jahr gingen in der ersten Stunde 20.000 Tickets nur für Rock im Park weg, nachdem Linkin Park als Headliner angekündigt worden war.

Es stellt sich die Frage, wie wirksam Kritik überhaupt ist, wenn die Veranstaltende wissen, dass sich die Tickets ohnehin verkaufen und kein (finanzieller) Druck da ist, etwas zu ändern. Hier an die Moral zu appellieren scheint das Problem nicht zu lösen. Dennoch ist es notwendig, das Thema anzusprechen. Insbesondere muss für mehr Sicherheit auf dem Gelände gesorgt werden, vor allem in Bezug auf ein Besucher*innen-Limit. Was dieses Jahr glimpflich ausgegangen ist, kann nächstes Jahr ganz anders aussehen.
Denn wenn Ticketverkäufe wichtiger bleiben als sichere Bedingungen, wird aus einem fröhlichen Festivalerlebnis schnell ein unkalkulierbares Risikoevent.

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Autor*in

Ich schreibe über Musik, die mich berührt, und berichte dabei mit offenem Ohr und klarem Blick über Themen aus der Popkultur und Musikbranche. Ich möchte inspirierenden Artists eine Plattform bieten und brenne für Musikjournalismus mit mehr Tiefe, Sichtbarkeit und Liebe zum Detail.