Interview mit Lyca: Vom Proberaum zum Album – die Entstehung von „Lyca“

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Die Band „Lyca“ hat heute ihr Album veröffentlicht. Ihr neues, selbstbetiteltes Album ist aber mehr als nur ein Nachfolger: Es ist ein Statement. Statt auf sterile Studioaufnahmen zu setzen, hat die Band die Songs dort eingespielt, wo sie entstanden sind – im eigenen Proberaum. Das Ergebnis klingt nach Schweiß, Improvisation und ungebändigter Spielfreude. Zwischen psychedelischen Gitarrenflächen, lateinamerikanischen Rhythmen und hypnotischen Jam-Momenten entsteht ein Sound, der sich keinem Trend unterordnet, sondern ganz bewusst seinen eigenen Weg geht. Mit BANDUP sprachen Lyca über ihre Live-Sessions, den Einfluss der Underground-Szene und warum sie trotz Retro-Vibes alles andere als nostalgisch klingen.

Wir haben die Songs in Live-Sessions direkt in unserem Proberaum aufgenommen. Dort, wo die Songs entstanden sind, konnten wir ihnen mehr Leben einhauchen. Es bleibt alles dynamisch und roher, keine digitale Nachbearbeitung von Einzelspuren für mehr Authentizität. Auf dieser Platte kommt alles vor, was uns ausmacht. Ekstatische, rastlose Songs wie “Soul on Fire” oder “Let it Burn”, statisch hypnotisierende Nummern wie “Song of Life” und natürlich unsere Latin gefärbten Hüftshaker wie “River” und “Cumbia Cosmica”.

BANDUP: Euer Sound ist tief verwurzelt in den psychedelischen Hymnen der späten 60er und frühen 70er. Wie schafft ihr es, diese Einflüsse ins Heute zu holen, ohne in Nostalgie stecken zu bleiben?

LYCA: Die Inspiration kommt ohne Zweifel aus der Plattensammlung, die jeder von uns zu Hause hat. Basis ist also von Anfang an die Musik, die jeder Einzelne von uns lebt. Trotzdem bringen alle Sechs ihre persönliche Interpretation, ihren “Stil”, mit in den Proberaum, wo wir die Einflüsse zu unserem Sound verweben. Das erlaubt uns eine große Bandbreite an musikalischen Stilmitteln, bei denen wir aber immer individuell nach uns klingen – nach Lyca. Unser neues Album ist deshalb auch selbstbetitelt. Die Songs fühlen sich an wie der klarste Ausdruck dessen, was unsere Band heute ist und was wir verkörpern.

Vom Jam zur Struktur

BANDUP: Das Album wirkt wie ein rauschhaftes Erlebnis. Wie lief der kreative Prozess – eher kontrolliert und geplant oder eher aus Jams und spontanen Momenten heraus?

LYCA: Als Sänger und Rhythmusgitarrist stammen die Texte und Melodien von mir. Das weitere Grundgerüst erarbeite ich oft mit Alex (Orgel). Dann werden die Songs dem Rest der Band mit einem groben Konzept und der Idee dahinter vorgestellt. Beispielsweise sollte River wie das Fließen eines Flusses in all seinen Facetten klingen. Ab hier wird mit allen zusammen daran gefeilt, oft in langen Jams bis in die späten Stunden. Dass die Songs auf dem Album keine Einzelleistung sind, ist besonders in den längeren Stücken mit detailliert ausstrukturierten Parts, wie “Let it Burn”, “River” oder “Moonshine” zu hören.

BANDUP: Ihr seid sechs Leute in der Band. Wie beeinflusst diese Größe die Dynamik beim Songwriting und auf der Bühne?

LYCA: Wir sind sechs Charaktere mit einem eigenen Kopf. Trotzdem gibt es natürlich viele Überschneidungen in dem, was uns gefällt. Das macht den Sound erst zu dem, was er ist. Keiner muss sich verstellen oder eine Rolle spielen. Das provoziert manchmal auch Reibungen. Aber dadurch entstehen auch Funken, die sich auf der Bühne niederschlagen. Jeder bringt seine eigene Ausstrahlung mit, wobei wir dennoch als geschlossene Einheit agieren, die sich die Seele aus dem Leib spielt. Diese geballte Energie elektrisiert und spornt sowohl uns, als auch den Zuhörer an. Das macht jedes Konzert zu einem ekstatischen Erlebnis.

BANDUP: „Cumbia Cosmica“ ist einer der Songs, bei dem man eure Latin-Einflüsse besonders spürt. Welche Rolle spielen Rhythmen aus Lateinamerika generell in eurer Musik?

LYCA: Wir legen großen Wert darauf, dass die Songs abwechslungsreich und tanzbar sind. Die Art von Rockmusik, die wir machen, lässt sich gut mit Latin-Einflüssen wie Samba, Son oder Cumbia vereinen. Das macht natürlich wahnsinnig Spaß zu spielen. Latin war für mich und Mirko (Schlagzeug) von klein auf immer großer Einfluss und Inspiration. Angefangen bei Manu Chao und Santana bis hin zu obskuren, peruanischen Chicha-Nummern.

Energie auf Platte gebannt

BANDUP: In Stücken wie „Soul On Fire“ oder „Let It Burn“ steckt eine rohe Energie. Wie wichtig war es euch, das Live-Feeling auch im Studio einzufangen?

LYCA: Live-Gigs zu spielen ist der Hauptbestandteil von dem, was uns ausmacht. Die Gefühle und Atmosphäre, die Vibrationen und die Ekstase auf einem Konzert einzufangen, ist schier unmöglich. Dennoch war es unser größtes Ziel, diese rohe Energie auf Platte festzuhalten. Wir möchten noch mehr Menschen animieren, rauszugehen und das Happening eines Live-Gigs immer wieder zu erleben.

BANDUP: Viele eurer Texte kreisen um Themen wie Freiheit, Ekstase und innere Kämpfe. Gab es einen roten Faden, der euch beim Schreiben von „Lyca“ begleitet hat?

LYCA: Ob es einen roten Faden gibt, kann ich selbst nicht beurteilen. Für das Schreiben meiner Songs haben mich aber schon immer die Symbolisten, Naturalisten und Mystiker wie William Blake, Walt Whitman oder Rumi begleitet.

BANDUP: Ihr seid in der deutschen Underground-Szene verankert. Wie hat euch diese Szene geprägt – und was unterscheidet sie vielleicht von internationalen Strömungen?

LYCA: Die Szene prägt sich selbst. In den Dunstkreisen in denen wir uns bewegen läuft oft alles in Eigenregie. Man kümmert sich selbst um Produktion, Promotion, Management und Booking. Das Netzwerk, das dabei entsteht, lebt von der gegenseitigen Unterstützung und dem Erfahrungsaustausch untereinander. An der Produktion und Recording unseres Albums “Lyca” waren beispielsweise Martin Schenk und Simon Kerler von “Das Kitsch” und “Marcoca” (Augsburg) beteiligt. Am Artwork Tom Witschel von “Heliod” (Dresden), mit denen wir dieses Jahr eine kleine Tour gespielt haben.

Bühne als Prüfstein

BANDUP: Eure Live-Shows sind für viele das Herzstück von Lyca. Was passiert mit euren Songs, wenn ihr sie auf der Bühne spielt – verändert sich da nochmal alles?

LYCA: Es ist eher umgekehrt. Wir testen unsere neuen Songs erst live. Auf der Bühne kann man schnell erkennen, wie sie beim Publikum ankommen. Wir kürzen Passagen, fügen Neues hinzu. Das Arrangement nimmt Form an. Das Feeling und die Struktur festigen sich und bilden dann einen für die Aufnahme fertigen Song.

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BANDUP: Zum Abschluss: Welche Künstler*innen oder Bands hört ihr aktuell selbst rauf und runter und würdet ihr unserer Community empfehlen?

LYCA: Viele Werke und Künstler der späten 60er und frühen 70er sind Inspirationsquelle. Vor allem wenn es laut und roh wird, während die Melodie im Vordergrund schwebt. Ob in Psychedelia getränkt, folkig oder heavy, obskur oder jedem bekannt. Hört hierzu in unsere Artist Playlist “adrift” auf Spotify rein. Sie bildet einen guten Querschnitt von allem, was uns inspiriert und unsere Herzen höher schlagen lässt.

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