MARLIINA ZEIGT MIT „BE KIND“ Selbstgüte
Marliina ist eine deutsche Musikerin und Künstlerin. Besonders charakteristisch sind ihre verträumten Klaviermelodien und ihre melancholischen Texte. In ihrer EP „Be Kind“ knüpft sie an die Zeit vor der Entstehung ihres letzten Albums „My Funeral“ an. Mit melancholischen Sound, kraftvoller Stimme und unkonventioneller Akkordreihenfolge, nimmt sie keine Rücksicht mehr darauf, was andere denken. Im Interview mit uns erzählt sie was ihr „Be Kind“ bedeutet und wie ihre Synästhesie sie beim Schreiben, Komponieren und kreativen Ideen begleitet.
BANDUP: Du hast schon früh angefangen Musik zu machen – Geige, Klavier, Gesang, Songwriting. Wenn du heute auf deinen Weg zurückblickst: Was war für dich der wichtigste Wendepunkt?
MARLIINA: Für mich war ein großer Wendepunkt in meiner Schulzeit, wo ich selbst bei Jugend Musiziert teilgenommen habe. Hinter den Kulissen habe ich oft mitbekommen, wie Eltern mit ihren Kindern gesprochen haben. Ich erinnere mich an meine erste Gesangslehrerin, die mir enormen Druck gemacht hat und allgemein an diesen Wettkampfgeist.
Ich habe schon immer Musik gemacht, weil es mich erfüllt. Ich möchte keine Preise gewinnen, vor Jury’s vorsingen und mich in irgendeine Rolle quetschen. Schon damals war es mir wichtig, mich mit dem Klavier und meiner Stimme ausdrücken zu können. Nach meiner Gesangsausbildung habe ich diesen Spirit wieder für mich entdeckt. Mein größter Wendepunkt war daher meines Erachtens nach die Motivation, die mir mein Produzent Steve wiedergegeben hat und die Klarheit darüber, dass ich niemals “fertig” sein werde, Neues für mich zu erschließen und zu lernen. (Zum Glück, wäre ja sonst sehr langweilig)
Der Schreibprozess ihrer EP „be Kind“
BANDUP: Deine neue EP „BE KIND“ erschien letzten Freitag. Was war der Moment oder das Gefühl, das dich dazu gebracht hat, diese Songs zu schreiben und zu veröffentlichen?
MARLIINA: Die Songs für die EP sind im Schreibprozess von meinem zweiten Album “My Funeral” entstanden. Das war für mich auch der Grund “Invisible” und “Abyss” als Acoustic Versionen zu veröffentlichen. Der Snippet “Everybody’s Darling” war einer der ersten Songs, die ich runtergeschrieben habe, nachdem mir mein Produzent Steve Dierkens die Zusammenarbeit angeboten hatte. Das Gefühl war vor allem Frust, Unsicherheit, Wut und aber der Wunsch einfach mal loslassen zu können, ich sein zu können, in Ruhe Musik machen zu können. Aufzuatmen.
MARLiians Wunsch: in Ruhe Melancholische Musik machen
BANDUP: In „BE KIND“ geht es viel um Empathie, Grenzen und persönliches Wachstum. Wie kam es zu dieser inhaltlichen Richtung – und was bedeutet „Be Kind“ für dich persönlich?
MARLIINA: Be Kind ist für mich ein Aufruf, nicht so hart zu sich selbst zu sein. Auf meinem persönlichen Weg war es mir immer wichtig vor allem Spaß am Musik und Kunst schaffen zu haben und diesen zu vermitteln. Ich schreibe überwiegend melancholische Songs, da sie für mich ein wundervolles Ventil sind und ich diese Atmosphäre sehr genieße. Es fühlt sich so an, als könnte ich meine “Batterie” aufladen.
Mit meiner Musik bin ich oft auf Menschen gestoßen, denen meine Texte und die Klavierbegleitungen “zu emotional” waren. Sie forderten mich dazu auf, mich zu ändern, fröhlichere Sachen zu schreiben, weil man diese Emotionalität kaum ertragen könne. Als Gesangslehrerin habe ich im Unterricht mit meinen Schülern sehr oft das Thema, dass sie sich nicht trauen, ihre “zarte”, “zerbrechliche” Seite zu zeigen. Und da ist es ganz egal wie alt meine Schüler sind, von Jugendlichen bis ins hohe Erwachsenenalter ist da alles dabei.
Ich frage mich oft wieso es so verpönt ist, seine Gedanken und Gefühle auszudrücken und wieso man sofort belächelt oder kritisiert wird. Andersherum ist es aber auch so, dass man oft aufgefordert wird, Verständnis für alles und jeden zu haben.
Ich möchte Menschen dazu auffordern, achtsam mit anderen zu sein, aber auch für sich selbst einzustehen. Man muss nicht immer für alles Verständnis haben und es ist okay, dieses auch mal für sich einzufordern. Die Balance ist wichtig. Ich will mich nicht dafür entschuldigen müssen, dass ich melancholische und ehrliche Texte schreibe. Das wird nur leider oft gleichgesetzt mit “nicht kritikfähig”, “viel zu sensibel”.
Was ich sehr witzig dahingehend finde.. Ich fühle mich mental so viel stärker als vorher. Einfach weil ich mal ausspreche, was Sache ist. Und das kann keine Schwäche sein.
nur Klavier und Stimme
BANDUP: Deine neue EP bringt dich wieder „back to the roots“ – nur Klavier und Stimme. Warum war es dir wichtig, diesmal so reduziert und intim zu arbeiten?
MARLIINA: Ich möchte mich bei der Botschaft meiner EP nicht hinter einem großen Arrangement verstecken. Meine Botschaft soll ehrlich und authentisch sein und das schaffe ich am allerbesten mit meinem Klavier. Wenn ich live spiele, dann am liebsten in genau dieser Besetzung. Denn genau so schreibe ich meine Songs auch daheim, so singe und übe ich sie, bis ich sie später aufnehme. Früher dachte ich immer, ich sei so nicht genug und ich bräuchte eine Band und ganz viele Effekte und Sounds. Heute weiß ich, das bin ich, das ist mein Sound und alles was dazu kommt, darf dazukommen, aber es ist nicht notwendig.
Beim Schreiben entwickeln sich Farben
BANDUP: Du sprichst oft von Synästhesie und Farben, die du beim Musikmachen siehst. Welche Farben siehst du bei den Songs von „BE KIND“ – und wie beeinflusst das deine Kompositionen?
MARLIINA: Invisible ist für mich in Sepiatöne getränkt, während I’ve Trusted In You in diesem wunderschönen pastell lila/rosa schwebt. Wenn ich schreibe dann lasse ich mich sehr gerne von der Farbe des ersten Akkords inspirieren. Beim Schreiben und Spielen entwickeln sich auch weitere Farben, die ich erreichen möchte. So als würde ich malen, nur dass ich erstmal den richtigen Akkord mit der Farbe finden muss, die ich suche. Dann suche ich so lange, bis ich ihn gefunden habe. Und sollte er “nicht so ganz” zu den bisherigen Akkorden passen, dann liebe ich es Wege zu finden, die Akkorde mit einer Melodie zu verbinden. So habe ich seit ich denken kann geschrieben. Es fühlt sich natürlich an und entspannt mich sehr, ich kann dabei sehr gut abschalten.
Schüler, Follower und Vocal Coaches sind eine Stütze
BANDUP: Viele deiner Songs sind durch Kritik, Selbstzweifel und das Wieder-Aufstehen geprägt. Wie gehst du heute mit Meinungen von außen um, und was hast du in dieser Zeit über dich gelernt?
MARLIINA: Ich habe über die letzten Jahre gelernt, nicht alles so ernst zu nehmen. Während andere weiterhin versucht haben mich dahingehend wieder einzufangen, habe ich angefangen mich beim Üben zu filmen, über Fails zu lachen, die live passieren und einfach den Spaß, den ich dabei habe, nach außen zu tragen. Mittlerweile habe ich auch ein besseres Bewusstsein dafür, was ich eigentlich alles kann.
Ich liebe es Schüler und Follower zu ermutigen, sich auszuprobieren und liebe es, mich mit Kollegen aus der Vocal Coach Bubble auszutauschen und Neues zu lernen. Ich werde nie perfekt sein, nie alles können, aber ich kann mich offen und fröhlich in neue Situationen stürzen, neue kreative Menschen kennenlernen und meine Zeit auf diesem Planeten genießen.
Ich habe auch gelernt, dass ich nicht jede Meinung oder jede Kritik annehmen muss, sondern gezielt schauen kann, was ich lernen möchte, in welche Richtung ich gehen will und Menschen, die das bereits geschafft haben oder auch auf diesem Weg sind, nach Kritik zu fragen. Denn jemand, der nicht da ist, wo ich hin möchte, dem muss ich auch nicht gefallen.
Gute Musik Braucht zeit
BANDUP: In „I’ve Trusted In You“ steckt eine lange Geschichte – von der Schreibblockade bis zur neuen Zusammenarbeit mit Steve Dierkens. Wie hat sich euer kreativer Prozess entwickelt?
MARLIINA: Steve hat mir vor allem gezeigt, dass nicht jede Idee direkt einen kompletten Masterplan braucht. Manchmal ist es ein Wort mit dem man beginnt, oder eine Melodie. Manchmal lässt man die Idee einfach mal liegen und gräbt sie später wieder aus. Ich bin seit der Zusammenarbeit mit ihm vor allem spontaner geworden. Manchmal schreiben wir die Songs erst, während wir sie schon aufnehmen. Das wäre vor einigen Jahren absolut undenkbar gewesen. Spontan passieren aber noch so viele Dinge und ich bin sehr dankbar, dass ich gelernt habe, darauf einzugehen. Das bereichert unser Schaffen ungemein.
Mit Synästhesie Produziert es sich etwas Anders
BANDUP: Deine Projekte sind sehr visuell – du animierst, malst und drehst Musikvideos oft selbst. Wie stark beeinflussen Bilder und Filmideen dein Songwriting?
MARLIINA: Meine Synästhesie hilft mir dabei, Kontraste zu schaffen. Beim Schreiben entwickelt sich eine Farbwelt, in der ich mich bewegen möchte. Manchmal habe ich auch Szenen im Kopf, die ich beschreiben möchte. Hier lege ich mich beim Komponieren aber nie fest, da mich das sonst wieder blockieren könnte. Wenn die Songs fertig sind, überlege ich, wie man sie in Musikvideos oder einer Animation umsetzen könnte. Das macht mir unglaublich viel Spaß. Aktuell arbeite ich mit meiner Band A Purple Sky an neuen Songs und hier haben wir uns eine Welt ausgedacht, die wir mit Sounds beschreiben wollen. Das ist mal eine ganz andere und neue Herangehensweise.
Musikkooperationen von Kanada bis Deutschland
BANDUP: Du hast in der Vergangenheit mit unterschiedlichen Musiker*innen und Videograf*innen gearbeitet – von Kanada bis Deutschland. Was nimmst du aus diesen Kooperationen am meisten mit?
MARLIINA: Es macht unglaublich viel Spaß zu sehen, wie unterschiedliche Künstler an Musik und Videoideen rangehen. Genau diese verschiedenen Herangehensweisen haben mir bei nachfolgenden Projekten oft geholfen, mit Ideen anders umzugehen, alles mal aus einer neuen Perspektive zu sehen, oder auch Probleme schneller zu lösen, sollte mal was technisches nicht so funktionieren wie geplant.
Es ist schön zu sehen, wie unterschiedliche Köpfe an ein Ziel erreichen und wie unterschiedlich die Ergebnisse sein können. Jeder hat seinen eigenen Stil, seine eigene Art und das weiß ich sehr zu schätzen.
BANDUP: Gibt es einen Artist, die oder den du unseren Leser*innen gerade besonders empfehlen würdest?
MARLIINA: Ich bin aktuell in meiner Sleep Token Era. 🙂 Ganz großer Fan vom neuen Album Even In Arcadia!








