Musikreview: „Wet Leg“ von Wet Leg
Wet Leg – Ein feuchtfröhlicher Tritt in den Trend
Bei dem britischen Indie-Rock-Duo Wet Leg zeigen Alle Zeiger auf den ultimativen Erfolg – und das ohne, dass sie überhaupt ein Album veröffentlicht haben. Das ändert sich nun mit dem selbstbetitelten Debütalbum. Aber wird es dem Hype überhaupt gerecht? Weitere interessante Rock-Storys gibt es hier zu lesen.
Interpret | Wet Leg |
Album | Wet Leg |
Veröffentlichung | 8. April 2022 |
Genre | Indie Rock |
Label | Domino Records |
Tracks | 12 |
Bewertung der Redaktion | 8/10 |
Spieldauer | 37 Min |
Qualität trotz Single-Flut
Es gab lange keine Newcomer-Band, die so sehr in den Himmel gehyped wurde wie Wet Leg. Zwar passiert es immer wieder, dass bestimmte Indie-Künstler noch vor dem ersten Album viel mediale Präsenz zuteilbekommen, und als das „nächste große Ding“ angepriesen werden, aber als die Musikwelt zum ersten Mal die zwei Mädels von der Isle Of Wight sah und hörte, bekam sie regelrecht Schnappatmung. Gut möglich, dass es auch eine Sache des Timings war, die den Beiden in die Karten gespielt hat. Als sie im Juni 2021 ihre erste Single ‘Chaise Longue’ abfeuerten kam die Welt gerade aus einer langen, düsteren Zeit der Lockdowns. Der lockerleichte, unkonventionelle und unfassbar charmante Dream-Pop der Platte war genau das, was die meisten gebraucht haben – etwas, mit dem man sich identifizieren kann, welches einen aber trotzdem ein wenig von der Realität davonträgt.
Das Duo erzielte von Anfang an immense Erfolge – Millionen Klicks, Prestigeträchtige Auftritte und jede Menge Aufmerksamkeit in der Presse – was sich auch nicht nach sechs weiteren Single Veröffentlichungen änderte. Wenn ein Künstler schon vor dem tatsächlichen Album-Release so viel von seinem Pulver verschießt, ist das für gewöhnlich ein schlechtes Zeichen. Hat das Album überhaupt noch etwas zu bieten?
Im Fall von Wet Leg lautet die Antwort: Auf jeden Fall! Die erfrischende Mischung aus Post-Punk, Indie-Rock, konventioneller Pop und einem Hauch modernem Psychedelia macht jede Menge Spaß, und die sechs anderen, bisher ungehörten Songs ziehen mit den Singles gleich. Es ist relativ minimalistische Musik. Jeder Track zeichnet sich durch einen simplen, aber stets nach vorne gehenden Beat aus, der von einer ebenso einfachen wie eingängigen Bassline begleitet wird. Dazu natürlich ein bisschen Gitarre, die mal etwas verzerrt, meistens aber in klassischer Indie-Manier clean Akkorde fetzt und hin und wieder auch ein kleines Solo spielt. Es ist definitiv Partymusik – dass der Rock‘ n‘ Roll hier ganz unverschämt mit dem Pop flirtet tut der Musik ausnahmsweise gut.
Songwriting zum Schmunzeln
Ein weiterer Punkt, warum Wet Leg so gut funktionieren, ist offensichtlich das Songwriting. Man hört direkt raus, dass Rhian Teasdale und Hester Chambers zwei Freundinnen sind, die nichts lieber machen als mit Musik und Songtexten herumzuspielen. Durch Rhians Gesang, der herrlich lässig rüberkommt, erhält dieser eine noch viel nahbarere Note, als er sowieso schon hat. Es dreht sich nämlich um allerlei Lebensnahe Thematiken – da witzeln die Mädels mal über das antisoziale Verhalten, das durch erzwungene Extrovertiertheit entstehen kann (‘Angelica’), über verflossene Liebschaften die sich als Borderline-Trottel entpuppten (‘Piece Of Shit’) oder über die exaltierte Indie-Popkultur, die sich viele der potenziellen Hörer wahrscheinlich als Charaktermerkmal zuschreiben.
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Die beiden bleiben dabei immer sympathisch, und das macht sie so besonders. Selbst in Songs, deren Inhalt sich dem Hörer nicht wirklich erschließt (‘Chaise Longue’ steht mit einem Fuß fest im Dadaismus), versteht man irgendwie was sie einem sagen wollen. Sie sind bodenständig, und so hört sich auch die Musik an. Nach einer guten Zeit mit Freunden, bei der man in der Sommersonne einen trinkt und dabei albern, aber auch mal ernst sein kann.