Michael Kraemer im Interview zum neuen Album „im Ausland zu hause“

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Der aus Deutschland kommende Singer/Songwriter Michael Kraemer lässt nach der bisherig langen Release-Pause nicht mehr lange auf sich warten und kündigt nun sein neues Album „im Ausland zu Hause“ an. Im Interview mit uns erzählt er von den Inspirationsquellen –  Brasilien als neue Heimat, Schicksalsschläge und seinem Opa – die ihn auf dem Pfad der Musik und der Entstehung seines Albums begleitet haben.

Ich bin ein deutscher Sänger und Songwriter, der in Brasilien sein neues Zuhause gefunden hat. Meine Musik reicht von brasilianischen Rhythmen mit deutschen Texten über deutschen Pop-Rock bis hin zu Südstaaten-Rock mit englischen Texten – alles produziert in Brasilien.

BANDUP: Du hast deine musikalische Reise in den 90ern in Deutschland begonnen, warst Sänger in Rockbands, heute klingen deine Songs ganz anders. Was hat dich auf diesem Weg am stärksten verändert oder geprägt?

Michael Kraemer: Ich höre und singe Rocksongs nach wie vor sehr gerne. Im Vergleich zu den frühen Rockband-Zeiten ist meine heutige Musik jedoch nicht mehr auf nur einen Musikstil festgelegt. Auch stehen die Texte heute deutlich mehr im Vordergrund als früher, und bei der Wahl der jeweils passendsten Arrangements und Rhythmen war ich komplett frei. Diese stilistische Freiheit genieße ich bis heute sehr.

Ein besonders prägender Moment auf meinem musikalischen Weg war der völlig unerwartete Tod meines engen Freundes Willem im Jahr 2003. Zusammen mit ihm hatte ich damals – vor inzwischen fast 30 Jahren – meinen ersten Song geschrieben. Nach seinem Tod habe ich mit dem Musikmachen komplett aufgehört. Erst während der Pandemie fand ich zurück zur Musik und zum Schreiben von Texten.

Der letzte Song auf meinem neuen Album „Im Ausland zu Hause“ ist gleichzeitig der letzte Song, den ich damals zusammen mit Willem kurz vor seinem Tod geschrieben hatte. Ein Rocksong…

zuhause in zwei Kulturen

BANDUP: Dein neues Album heißt „Im Ausland zu Hause“. Was bedeutet dieser Titel für dich, gerade weil du in Deutschland mit Rockmusik angefangen hast und heute in Brasilien lebst?

Michael Kraemer: Für mich spiegelt der Titel das bereichernde Zusammenfinden zweier verschiedener Kulturen wider. Man muss nicht zwingend etwas aufgeben oder zurücklassen, um sich an einem neuen Ort zu Hause zu fühlen. Ich liebe das Gefühl, in mehr als nur einer Kultur zu Hause zu sein.

aus alt mach neu

BANDUP: Auf dem neuen Album sind auch Stücke, die du schon vor über 20 Jahren gemeinsam mit deinem Bruder geschrieben hast. Was hat dich dazu bewogen, diese alten Songs jetzt noch einmal aufzugreifen?

Michael Kraemer: Mir gefällt die Vorstellung, dass sich auch Songs weiterentwickeln können. Eine Aufnahme muss also nicht zwingend die endgültige Version sein. Einer der Songs, den ich zusammen mit meinem Bruder Christian geschrieben habe – ursprünglich eine Rockballade, heute ein Bossa Nova – heißt „Nichts steht fest“. Der Titel spielt mit dieser Idee des steten Sich-Weiterentwickelns.

brasilianische Rhythmen und Deutsche Texte

BANDUP: In deinen neuen Liedern treffen deutsche Texte auf brasilianische Rhythmen wie Bossa Nova, Samba-Rock oder Xote. Wie sehr hat das Leben in Brasilien deine Musik geprägt und was bedeutet dir diese Verbindung beider Welten?

Michael Kraemer: Das Leben in Brasilien hat meine Musik auf jeden Fall bereichert – zum einen durch die brasilianischen Rhythmen, mit denen ich vor meinem Umzug kaum in Berührung gekommen bin, zum anderen durch die persönlichen Erlebnisse und Erfahrungen, die ich hier machen durfte und die in meine Songtexte eingeflossen sind.

BANDUP:  Im April kam deine EP „Zu viel“, jetzt im Mai die Single „In Gedanken“. Wie passen diese Veröffentlichungen in das große Bild deines neuen Albums?

Michael Kraemer: Die EP „Zu viel“ markiert den Übergang von der ersten Phase des Projekts – mit dem Fokus auf der Kombination aus brasilianischen Rhythmen und deutschen Texten – hin zu einer neuen Phase, in der zwar weiterhin alle Songs in Brasilien aufgenommen und produziert wurden, die Arrangements jedoch ohne stilistische Vorgaben entstanden sind. Auch „In Gedanken“ gehört zu den Songs dieser zweiten Phase.

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„In Gedanken“ – leise Töne mit lauter wirkung

BANDUP: Im Musikvideo zu „In Gedanken“ sieht man dich in sehr alltäglichen Momenten: Tee kochen, backen, am Meer sitzen. Warum hast du dich für diese ruhigen, fast meditativen Bilder entschieden?

Michael Kraemer: „In Gedanken“ erzählt von einem erträumten Treffen zweier geliebter Sternenkinder. Im Musikvideo verkörpern zwei leere Stühle ihre Abwesenheit – und zugleich ihre Präsenz, die besonders in diesen ruhigen und besinnlichen Momenten spürbar wird.

BANDUP: Musikalisch scheinst du eher leise Töne zu bevorzugen, statt großer, pathetischer Gesten. War das schon immer so oder ist das etwas, das erst mit den Jahren gewachsen ist?

Michael Kraemer: Gerade bei „Zu viel“ und „In Gedanken“ habe ich mich bewusst für minimal besetzte Arrangements entschieden, sodass möglichst viel Nähe zu Text und Stimme entstehen kann. Grundsätzlich ist es mir über die Jahre immer wichtiger geworden, in meinen Texten nur noch Geschichten zu erzählen, die mir wirklich am Herzen liegen.

nEUES aLBUM „iM aUSLAND ZU hAUSE“ ERZÄHLT sEINE Lebensgeschichte

­BANDUP: Dein vorheriges Konzeptalbum „Zwischen den Jahren“ hatte eine klare thematische Klammer und war von einer Doku begleitet. Wird das neue Album „Im Ausland zu Hause“ ähnlich aufgebaut sein oder gehst du diesmal einen freieren Weg? 

Michael Kraemer: Es ist auf jeden Fall ein freierer Weg, in dem sich vor allem die Arrangements der Songs aus der zweiten Phase des Projekts ganz organisch entwickelt haben. Es wird auf dem Album auch Songs mit englischen Texten geben. Mir war es jedoch wichtig, dass alle 21 Songs auf dem Album, das ich als Doppel-Vinyl veröffentlichen werde, Geschichten aus meinem Leben erzählen.

Meine Inspiration, diese Geschichten zu erzählen und sie in einem physischen Format festzuhalten, war mein Opa. Kurz nach meinem Umzug nach Brasilien im Jahr 2006 hatte er gerade ein Buch über sein Leben fertiggestellt. Ich erinnere mich, dass ich dieses Buch an nur einem Tag verschlungen habe. Es ist ein sehr wohltuendes Gefühl, zu wissen, dass ich immer, wenn ich mich an Details seiner Geschichten erinnern möchte, einfach nur das Buch wieder aufschlagen muss. Es war das schönste Geschenk, das er hätte hinterlassen können. Meine Art, meine Geschichten zu erzählen, ist durch die Musik. Dieses Doppel-Vinyl ist für mich zu meinem „Buch“ geworden – der Sammlung meiner Geschichten. Und wer weiß, vielleicht habe ich eines Tages die Gelegenheit, es meinen Enkelkindern zu überreichen.

Botschaft und Musikempfehlung

BANDUP: Was wünschst du dir, dass die Hörerinnen und Hörer nach dem Hören von „Im Ausland zu Hause“ mitnehmen? Gibt es eine Botschaft, die dir besonders am Herzen liegt? 

Michael Kraemer: Frei nach Gabriel García Márquez: Lebe, um davon zu erzählen. Niemand kann die Geschichten deines Lebens besser erzählen als du selbst. Es wäre schade, wenn sie in Vergessenheit geraten…

BANDUP: Hast du momentan einen bestimmten Artist oder eine Songempfehlung, der bei dir auf Dauerschleife läuft und welchen du unserer Community empfehlen möchtest?

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Michael Kraemer: Auf Dauerschleife läuft er nicht, aber mein erster intensiver Kontakt mit brasilianischer Musik war Caetano Veloso’s Version von „Você Não Me Ensinou a Te Esquecer“ – ein Song, den ich auch heute immer noch sehr gerne höre:

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